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Foto: Michael Mahlke – Ausstellung im Kunstmuseum Solingen

Die dokumentierende Funktion

Dort, wo nicht jeder dabei ist, macht man Bilder,

  • um etwas zu zeigen,
  • es festzuhalten und
  • damit etwas zu bewegen.

Der dokumentierende Charakter der Fotos ist dabei entscheidend. Das führt in diesem Artikel zu der Frage:

Was machen Fotografen/Innen, die Kriege und Konflikte fotografieren, und wie sehen sie sich selbst?

Wenn man sich durch das aktuelle Webgeschehen surft, dann fallen einige Entwicklungen auf.

Beginnen wir mit Anja Niedringhaus.

Letztes Jahr sprach sie noch von ihrer Arbeit, dieses Jahr wurde sie ermordet.

So ist das Risiko real und unkalkulierbar.

Kein Massenthema

Auf arte gibt es zu der Frage der Kriegsfotografen ein Video, das sich mit einem Buch beschäftigt. Das Video wurde in sieben Monaten laut der Angaben auf der arte-Webseite 329 mal angeklickt (auch angeschaut?). Es sind eben essentielle Themen und die haben eher weniger Aufmerksamkeit beim Publikum.

Welche Fotos?

Das Video wurde aus Anlaß des Buches Bilderkrieger produziert.

Darin kommt auch Anja Niedringhaus zu Wort.

Sie sagt: „Ich teile auch nicht den Gedanken … Ich muß ein ganz grauenhaftes Foto machen, um zu zeigen, was in einem Krieg los ist. Ich kann die Schrecken des Krieges mit einem weichen Foto viel besser zeigen.“

Der männliche Blick

Ein anderes Buch zeigt das, was sonst nur auf youtube zu sehen ist oder auf Seiten wie r….com.

Es sind Fotos, die für die Seele nicht gut sind.

Das ist natürlich in einer langen Tradition.

Schon Ernst Friedrich zeigte anhand von Fotos, die ihm Ferdinand Sauerbruch überlassen hatte, wie schrecklich Verwundungen sind und wie die Würde des Menschen verstümmelt wird.

Das finden wir auf solchen Fotos heute wieder – nur digital und bunt.

Der Fotograf Christoph Bangert sagt in dem Interview: „Ich bilde ja nur Dinge ab, die tatsächlich geschehen sind. Was den Opfern widerfahren ist, verletzt die Würde des Menschen, nicht die Dokumentation des Verbrechens.“

Ist dies eher eine männliche Sicht?

Der weibliche Blick

Viele Frauen, die in Krisengebieten arbeiten, sehen dies offenkundig eher so: „Die Überlebenden von kriegerischen Auseinandersetzungen geben den Reporterinnen einen Auftrag mit: Die Welt soll erfahren, was in oftmals vergessenen Kriegen passiert. „Ich habe das Gefühl, ich tue das Richtige“, beschreibt Radiojournalistin Esther Saoub ihre Arbeit, die sie oft in den Gazastreifen geführt hat.

Machen es Frauen anders? Die Frage wabert durch das Medienlabor ohne eindeutige Antwort. Journalistinnen sind sicher weniger geneigt, über kriegerische Handlungen zu berichten, als ob es um ein Fußballspiel ginge: mit seinen Siegern und Verlierern, gespickt mit Zahlen über Treffer und Niederlagen. Sie empfinden auch weniger den Kick des Dabeiseins. Aber, „ich muss da immer wieder hin“, sagt Susanne Fischer, die im Irak einheimische Journalistinnen und Journalisten ausgebildet hat.“

Das Leiden betrachten – das Leiden dokumentieren?

Was passiert, wenn wir das Leiden anderer betrachten?

Das bekannteste Buch dazu stammt von Susan Sontag.

Sie positioniert sich klar: „Mitgefühl ist eine instabile Gefühlsregung. Es muß in Handeln umgesetzt werden, sonst verdorrt es.”

Daraus ergibt sich eigentlich die direkte Aufforderung zur politischen und sozialen Aktion.

Aber vom Mitgefühl zum Handeln ist der Weg oft unendlich weit.

Und es kommt hinzu, daß Mitgefühl und Rache für mich derselben Quelle entspringen.

Denn schützen bedeutet auch töten um zu schützen.

Selbst im Tierreich kann man sich durch Unterwerfen vor dem Tod schützen, wenn man im Kampf verloren hat und den Stärkeren anerkennt.

Das macht der Mensch nicht. Er ist noch nicht auf dem Niveau der Tiere angekommen und tötet lieber den Verlierer oder die Unschuldigen wie wir aktuell beim IS bzw. ISIS live und in Farbe miterleben können.

Das gab es auch schon früher und ist in den letzten beiden Jahrhunderten auch fotografisch vielfach belegt, um nur beispielhaft auf die Bücher von Alessandra Mauro, Ursula Meissner/Friedhelm Brebeck und Anton Holzer zu verweisen.

So ist der Weg zur Würde des Menschen ein Weg, der gegangen werden muß.

Sonst wird man sie nicht finden und sonst wird man sie nicht schützen.

Dies gilt für militärische Kriege und soziale Konflikte.

Hier und anderswo.

Jetzt!

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