Tschernobyl Ludwig Lubricht

Wie fotografiert man eine Tragödie und seine Folgen?

Die Ereignisfotos waren früher das Tagesgeschäft der Fotoreporter. Das ist so fast vorbei.

Ich möchte daher einige Blicke auf die Frage werfen, wie heute von Fotografen sozialdokumentarisch über ein Thema berichtet wird. Dazu habe ich das Thema Tschernobyl gewählt.

Denn hier handelt es sich um ein Thema,

  • das eigentlich uns alle angeht,
  • das vor der Haustür ist und
  • das weitreichende Folgen über unsere eigene Lebenszeit hinaus hat.

Nun denn!

Ich habe zwei Bücher gefunden, die sich mit diesem Thema beschäftigen.

Das ältere Buch ist von Rüdiger Lubricht und das neuere Buch ist von Gerd Ludwig.

Beide Bücher sind nicht als Selbstverständlichkeit entstanden sondern erst nach und mit dem persönlichen Engagement der fotografierenden Autoren.

Lubricht zeigt die verlassenen Orte der Menschen und dann vor allem die Menschen, die dabei waren als Betroffene oder als Helfer. Es sind die Texte, die aus Porträts dann ergreifende Schicksale machen.

Wer half wurde dafür mit Krankheit bestraft – manche davon sehenden Auges. So erzählen die Fotos viele Geschichten von guten Menschen und schlechter Politik.

Das Buch von Gerd Ludwig geht noch viel weiter.

Er wagt den grossen Wurf und zeigt im Querschnitt und im Längsschnitt alles das, was man so im Zusammenhang bisher nicht sehen konnte.

Beide Autoren erzählen mit Fotos und Texten.

Und in beiden Fällen wären nur Fotos oder nur Texte nicht ausreichend.

Gerade die dokumentierende Fotografie zeigt hier die Fronten zwischen Vorfall und Folgen, die bis heute wirken.

Beide Bücher wirken, aber jedes auf seine ganz eigene Weise.

Gerd Ludwig hat dabei auch die Folgen bis zum medialen Umgang damit thematisiert, so daß er natürlich weit über Tschernobyl hinausgeht.

Beide Bücher zeigen, daß Fotos eine Zuordnung durch Texte brauchen.

Beide Bücher zeigen aber auch, daß Dokumentarfotografie nicht ersetzbar ist, wenn es darum geht,

  • langfristig zu schauen,
  • genau zu studieren und
  • das Ganze auf sich wirken zu lassen.

Wer die Gelegenheit hat, sollte die Bücher durchlesen.

Man bekommt einen neuen Blick und erweitert den Horizont. Besser schläft man danach nicht. Aber das weiß man vorher.

Und man erhält Beispiele für das Dokumentarische in der Fotografie, das mehr ist als Kunst: das fotografische Festhalten von Zusammenhängen im echten Leben.

Und genau das ist die wahre Kunst der Dokumentarfotografie.