Nun wurden mitten in Paris Redakteure einer kleinen Zeitschrift für Karikaturen ermordet, weil sie Mohammed-Karikaturen veröffentlicht haben.
Parallel dazu wurden in einem jüdischen Kaufhaus Kunden ermordet und französische Polizisten weiblich und männlich, die helfen wollten.
Aus Protest ging der Satz „Je suis Charlie“ um die Welt, obwohl er nur einen Teil des Geschehens abdeckt.
Doch schon am Tag des Attentats wurden erste Versuche gemacht, sich den Protest-Slogan „Je suis Charlie“ markenrechtlich zu sichern . Das ist besonders pikant und sollte nicht unerwähnt bleiben.
Allerdings geht es mir hier um das fotografische Geschehen danach und den Zusammenhang von Karikatur, Foto und dem Einsatz dieser Mittel.
Ich will deshalb über Karikaturen und Fotografien und die sozialen Gebrauchsweisen in diesem Zusammenhang schreiben, weil es wichtig ist, dies zu sehen.
Karikaturen sind die Fotos vor der Erfindung der Fotografie gewesen.
Karikaturen inszenieren Elemente der Wirklichkeit und malen so eine Situation, die besonders ins Auge fallen soll.
Ein bekanntes Beispiel ist sicherlich Heinrich Zille. Er kämpfte mit Karikaturen gegen das Elend und hielt zudem das Leben der kleinen Leute fest.
Es sind Bilder, die immer auch als Waffen im politischen Meinungskampf eingesetzt wurden.
Sie erzählten und erzählen oft ohne Worte.
Sind sie damit Waffen?
Es kommt auf den sozialen Zusammenhang und das Thema an wobei auch das Wort Waffe ein weiter Begriff ist.
Denn Aufklärung als Waffe gegen den Hunger mit Karikaturen ist etwas anderes als der Einsatz von Karikaturen zur Diffamierung politischer Gegner.
Man muß die Richtung sehen und kann diese Begriffe nur bedingt klar abgrenzen. Es kommt immer wieder auf das Konkrete an.
Es sind geistige Waffen, die in einer freien Gesellschaft Informationen und Zusammenhänge zeigen wie das freie Wort und Fotos.
Wenn die Denker und Zeichner, deren Mittel Worte und Bilder sind, dann mit Maschinengewehren und Pistolen ermordet werden, wird aus dem Kampf um Themen der Mord an Menschen.
Furchtbar wahr.
Aber es geht noch weiter.
Da es hier um fotografische Fragen geht, möchte ich nun zu der Begebenheit aus Anlaß dieses Massenmordes kommen, die fotografisch wesentlicher Teil dieses Beitrags ist und die selbst zwischen Journalisten umstritten ist.
Sonntags fanden Trauerzüge in ganz Frankreich statt und die größten natürlich in Paris.
Ich hatte den Eindruck nach den übermittelten Bildern, daß alle Spitzenpolitiker auch die Spitze eines Demonstrationszugs gebildet haben.
Und dann?
Dann kommt dies etwas anders raus.
Auch hier handelt es sich um Fotos als Waffen.
Die taz schreibt, es ist ganz klar „Wahrheitsverzerrung“.
Wenn man sieht, daß alles doch irgendwie ganz anders war, dann muß man sich schon fragen, welche Freiheit denn Politiker und Journalisten meinen, wenn sie uns als Zuschauer dies sogar verschweigen?
Die ARD reagierte übrigens erst nach der Anfrage der taz am späten Abend und teilte mit, sie habe alles gesagt und gezeigt: „Nun kommen Kritiker um die Ecke und behaupten, wir hätten bewusst verschwiegen, dass die Politiker gar nicht gemeinsam mit den Demonstranten marschiert seien. Durch eine manipulative Bildauswahl seien die Zuschauer hinter die Fichte geführt worden. Es habe in vielen Medien – darunter in der Tagesschau – eine Inszenierung stattgefunden, behauptet die taz. Aber es ist doch so: Wenn sich Politiker vor eine Kamera stellen, ist das immer eine Inszenierung, jede Pressekonferenz ist eine Inszenierung.“
Und was ist dann die Aufgabe des Journalisten – die Inszenierung zu zeigen oder daß es inszeniert ist?
Und gerade hier wo es um Freiheit und Pressefreiheit geht!
Da sind dann die Kommentare darunter sehr erhellend zwischen Weglasspresse und wunderbar informiert.
Wo fängt denn dann die Manipulation an, wenn Journalisten, die dabei waren, uns nicht sagen, daß dies alles nur inszeniert war?
In gewisser Weise zeigt sich hier auch Glanz und Elend des Fotojournalismus, weil einige offenkundig die Fotos lieferten, die nur die Inszenierung zeigten und andere auch, daß es eine Inszenierung war.
Es waren übrigens ausländische Medien, die die Fotos publizierten mit den „echten“ Zusammenhängen.
Aber das ist ja noch nicht alles.
Andere Länder, andere Sitten.
Eine israelische Zeitung schneidet kurzerhand Frauen aus dem Foto raus.
Dies alles zeigt wie wichtig im Kampf um die Köpfe inszenierte Fotos und ihre Aussagen sind.
Es sollen Meinungen entstehen, es soll nicht transparent informiert werden, um sich selbst eine Meinung zu bilden.
Nun wäre ein solches Foto mit der Trennung von Volk und Politik für einige sicherlich ein visuelles und symbolisch gefundenes fotografisches Fressen gewesen.
Wenn man nicht zu sehr polemisieren will, muß man dies alles doch zumindest Manipulation nennen.
Als ich letztes Jahr über Zeitgeist-Fotografie geschrieben habe und den wachsenden Hass, der uns Motive liefern wird, da wußte ich noch nicht, daß die Situation in Paris im Januar 2015 sich so entwickelt.
Die Zeitqualität ist zwar eindeutig, aber das ist ja kein Thema in den entscheidenden Kreisen.
So werden wir Fotos sehen, die dazu dienen, bei uns im Kopf Meinungen entstehen zu lassen.
Dabei geht es auch um die Freiheit, Bilder zu erhalten, die uns eine sachgerechte Einschätzung liefern, also authentisch, engagiert und transparent sind.
Das war ja der Grund, warum Henri Cartier-Bresson immer nur Fotos mit eindeutigen Bildunterschriften veröffentlichen wollte.
Und das wäre im Fernsehen die Aufgabe des Kommentators (= Journalisten).
Ich bedauere sehr, daß ich über dieses Geschehen schreiben mußte statt über andere Dinge, weil ich mir gewünscht hätte, daß diese Morde an Christen, Juden und Muslimen nicht geschehen wären und wir stattdessen Armut, Arbeitslosigkeit und Angst bekämpfen.
Und die Erfolge in diesem Kampf wären die schöneren Fotos gewesen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt – auch darauf, endlich Fotos mit Erfolgen in diesem Kampf zu sehen oder sogar selbst machen zu können.
So gedenke ich der Toten aller Religionen und drücke den Angehörigen mein Mitgefühl aus.
Nachtrag einige Tage später:
Mittlerweile hat auch spiegel online dazu einen Artikel publiziert. Dort wird darauf hingewiesen, daß die Politiker nach den Fotos in ihre Autos gestiegen sind und davonfuhren. An der Spitze eines Demonstrationszugs war niemand von ihnen.
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