„Nick Berg, das wird hier in aller Grausamkeit deutlich, musste nicht deshalb sterben, weil er als Person irgendeine Bedeutung für al-Qaida hatte, sondern damit die Bilder seiner Ermordung um die Welt gehen konnten.“

Diese Zeilen können wir auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung finden. Sie stammen von Charlotte Klonk aus einem Beitrag über Attentate als Medienereignis und die Verantwortung der Betrachter.

Das Thema wurde vorher und hinterher auch schon öfter diskutiert.

Aber man muß sich ja fragen, welche Antworten die Bundeszentrale für politische Bildung hier online setzt, um das Thema anzupacken.

„Während die vergleichsweise harmlose Schaulust immer schon das Rad des Bilderkampfes angetrieben hat, ist nun eine neue Situation entstanden, welche die Betrachter noch einen Schritt weiter in Richtung aktiver Beteiligung am Geschehen treibt.

Bereits in der Vergangenheit stand manchmal die Würde der Opfer zur Debatte, die im Moment ihres größten Leidens und ohne ihre Einwilligung abgelichtet wurden. Dies war vor allem dann der Fall, wenn man die leidenden Personen deutlich im Bild erkennen konnte. Doch heute kann jeder aktiv im Internet nach Fotografien dieser Art suchen, die sich nicht selten auf dubiosen Seiten wiederfinden, die entweder von den Tätern selbst unterhalten werden oder sadomasochistischen Sexfantasien dienen. Wenn man gar zum Produzenten dieser Bilder wird und somit, wie in London geschehen, zum vermeintlichen Erfolg der Täter beiträgt, dann spätestens ist es an der Zeit, über die eigene Verantwortung nachzudenken.“

Ich frage mich, was sich Frau Klonk dabei gedacht hat.

Nicht verbreiten, nicht verlinken – sonst mitschuldig.

So die These von Frau Klonk?!

Für den Bereich der Art der verkauften Fotos im Fotojournalismus kritisiert sie das aktuell auch: „Es gibt wirklich Bereiche, wo es noch viel brennender ist. Also, meiner Meinung nach – und das ist mein Forschungsfeld – ist es die Berichterstattung zu Terrorakteuren, die wirklich sehr klischeehaft operiert.“

Wir leben in einer Welt, die von Grausamkeiten geprägt ist, die in unserer Zeit nun digital verfügbar werden. Wenn immer mehr gespeichert werden kann, dann werden auch immer mehr Grausamkeiten gespeichert.

Aber man kann dies auch völlig anders sehen und dann wird aus Frau Klonk die radikalste Medienkritikerin und Sozialkritikerin, die ich kenne.

Denn die Verrohung im Kopf ist die Voraussetzung für asoziales Handeln.

Wenn deutsche Islamisten erst mal die Verrohung in der Praxis lernen indem sie Köpfe abschneiden  und die Köpfe auf Fotos zeigen dann ist dies der Weg, der bei uns so aktuell nicht gegangen wird.

Es ist die Endform des Neoliberalismus, die dort zu sehen ist.

Der Stärkere entscheidet und tötet, bestimmt und übt wirtschaftliche und politische Macht aus. Einen Staat gibt es nicht oder er hält sich raus.

Bei uns waren wir mal so weit, daß wir Menschen vergasten und ermordeten im staatlichen Auftrag. Das machen wir heute in Deutschland nicht mehr.

Aber wir haben den Neoliberalismus seit der Regierung Schröder im Konsens fast aller Parteien wieder reingelassen und er zeigt seine Fratze aktuell in einer asozialen Sozialgesetzgebung im staatlichen Auftrag und findet immer mehr Bereiche im sozialen Leben, die er zerfressen kann – oft mit Hilfe der Politik.

Bilder können handlungsleitend in verschiedene Richtungen sein.

Ich habe die Wirkung von Bildern einmal am Lächeln des Big Foot gezeigt, weil das Foto mit dem ermordeten Sioux-Häuptling genau das auslösen kann, was jenseits der Abschreckung ist, nämlich den Mord als normales menschliches Verhalten in den Kopf zu holen.

Bilder können schrankenlos machen, heben Grenzen auf. Über 90 Prozent des menschlichen Lernens findet durch Nachahmung statt. Die Bilder sind oft die Anleitungen.

Wenn Frau Klonk nicht möchte, daß die Bilder in die Köpfe kommen, weil die Folge das Ausschalten der Schranken vor dem asozialen Handeln wäre, dann hätte sie sogar recht.

Aber sozialpolitische Attentate, die die Menschen zur Verarmung und Verzweiflung bringen, müssen gezeigt werden. Ebenso wie Menschen, die sich das nicht gefallen lassen.

Insofern haben Bilder eine doppelte Funktion. Sie werden in jedem Fall Kampfmittel.

Und einen „Kampfmittelräumdienst“, der entscheidet, welche Bilder gezeigt werden, gibt es schon.

Der nennt sich Zensur. Direkt gibt es sie in Diktaturen und indirekt durch soziale Sanktionen und Gesinnungsüberprüfung in Gesellschaften mit bürgerlichen Freiheitsrechten.

Hinzu kommt, daß das Betrachten des Leidens Anderer nicht unbedingt zum erwünschten Handeln führt.

So bleiben Fotos Waffen und ihr Einsatzgebiet hat sich im digitalen Leben stark ausgeweitet.

  • Wer will welchen Eindruck erzeugen?
  • Welches Interesse steckt dahinter?
  • Wer finanziert das?

Das sind die Fragen, die Distanz und Transparenz erzeugen können.

Das ist die digitale Realität – ob wir es wollen oder nicht.